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Endlich unabhängig?

1675004921659 Chinarundschau Frank Sieren

Das Ferienparadies Fidschi ist der bekannteste südpazifische Inselstaat. Sitiveni Rabuka, der neue Premierminister der ehemaligen britischen Kolonie, fühlt sich vom Westen vernachlässigt und wendet sich, kaum im Amt, nun China zu.
Von Frank Sieren

In seinem ersten Interview als neuer Premierminister der Fidschi-Inseln hat Sitiveni Rabuka, 74, verkündet, die traditionellen Sicherheitspartnerschaften mit Großbritannien, den USA, Neuseeland und Australien „zu überdenken“. Diese Partner hätten Fidschi nur als „Ergebnis ihres kolonialen Regimes gesehen und haben ihr Denken nicht an der neuen internationalen Landschaft ausgerichtet, in der alle Staaten gleich sein sollen.“ China hingegen sei „mit einem weißen Papier zu uns gekommen,“ so Rabuka. „Sie sehen uns als Entwicklungspartner auf Augenhöhe.” 

Bei solchen Tönen hören Washington, aber auch Canberra und Wellington genau hin, spätestens seitdem Peking im vergangenen April gegen den Willen der USA eine Sicherheitspartnerschaft mit dem Nachbarstaat Solomon Islands abgeschlossen hat und chinesische Polizeieinheiten bereits die dortige Polizei ausbilden und dem chinesischen Militär Zugang zu seinen Häfen gibt.

Wettlauf um den Südpazifik

Strategisch wichtig ist die Region jedoch schon seit dem 2. Weltkrieg. Im Pazifikkrieg kämpften Japan und die USA um die Kontrolle der Inseln. Es geht dabei immerhin um eine Region drei Mal so groß wie die USA, zwischen Amerika und Asien. Sie erstreckt sich von Hawaii bis in die Philippinen im Westen, Australien und Neuseeland im Süden und Japan im Norden. Nicht aus Zufall sind Guam, die Nördlichen Marianen, American Salomon und die United States Outer Islands bis heute US-amerikanisch. Und Französisch-Polynesien oder Neukaledonien gehören weiterhin zu Frankreich. 

Doch zu lange waren sich Frankreich, Australien und vor allem die USA zu sicher, die Region zu kontrollieren. Das räumte selbst US-Vizepräsident Kamala Harris auf ihrer eilig im vergangenen Sommer anberaumten Reise in die Region ein: „Wir geben zu, dass die Pazifischen Inseln in den vergangenen Jahren nicht die diplomatische Aufmerksamkeit und Unterstützung bekommen haben, die sie verdienen.“ Sie verspricht dies nun zu ändern. Die New York Times geht in ihrer Einschätzung der Lage sogar weiter: „China hat einen meilenweiten Vorsprung im Wettlauf um den Südpazifik.“ Dies lege offen, „wie der Abstieg Amerikas aussieht.“ 

Doch womöglich ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen, was Fidschi betrifft, auch, wenn US-Außenminister Antony Blinken im vergangenen Februar als erster US-Außenminister seit 36 Jahren, Fidschi besucht hat. 

Fidschis Weg zur Unabhängigkeit

Denn eigentlich müsste Fidschis Premierminister Rabuka dem Westen dankbar sein. Er ist einer der Ureinwohner Fidschis, dem die britischen Kolonialherren den Aufstieg ermöglicht haben. Der ehemalige Brigadegeneral, der nun 900 000 Menschen auf 300 Inseln mit einer Millionen Touristen regiert, wurde in Neuseeland und an der britischen Militärkaderschmiede Sanhorst ausgebildet und von der Queen zum Officer of the Order of the British Empire ernannt. Doch die Unabhängigkeit Fidschis 1970 reichte ihm nicht. Der formellen Abhängigkeit war eine informelle Abhängigkeit gefolgt. Denn die Queen war noch immer Staatoberhaupt, London mischte sich immer wieder ein und die unter der britischen Herrschaft in Fidschi angesiedelten Inder, die inzwischen als Einheimische gelten, wurden politisch immer wichtiger. Also startete Rabuka mit dem Spitznamen „Rambo“ 1987 in einem Jahr gleich zwei Coups, in denen er eine Republik gründete und damit die Queen als Staatsoberhaupt absetzte. Zugleich drängte er die Macht der indischen Einheimischen zurück. Dafür hat er sich inzwischen entschuldigt. Für die Republikgründung gilt er im Volk weiterhin als Held. Prompt wurde Fidschi zur Strafe aus dem Commonwealth ausgeschlossen, der Vereinigung unabhängiger Staaten, in der Nachfolge des British Empire, in der die Mitglieder unter anderem wirtschaftliche Vorteile haben. Rabuka musste in den sieben Jahren als Premierminister lernen, wie schwierig es ist, alleine wirtschaftlich durchzukommen, als er 1992 die Uniform auszog und zum ersten Mal Premier wurde. Die Chinesen waren noch nicht so weit um mit Investitionen einzuspringen. Rabuka musste 1999 aufgeben. Fidschi war wirtschaftlich am Ende. In London nahm man das mit Genugtuung zur Kenntnis. Doch auch sein Nachfolger hielt nicht lange durch. Er wurde 2006 vom Militärchef Frank Voreqe Bainimarama geputscht. Wieder wurde Fidschi aus dem Commonwealth ausgeschlossen. Doch nun sprangen die Chinesen in diese Lücke und investierten massiv. Sie blieben auch nach den freien Wahlen 2014, als der Commonwealth Fidschi wieder liebhatte und auch Australien und Neuseeland wieder Entwicklungshilfe gaben. 

„Gleichberechtigter Partner“

Die Menschen waren hin- und hergerissen gegenüber dem Engagement der Chinesen. Einerseits bedeutete dies neue Infrastruktur, anderseits wuchs die Sorge, dass die Chinesen sich die besten Grundstücke sichern. Doch als 2020 während eines Typhoon der Stufe 5 eine von Chinesen gebaute Schule in Lekutu eines der ganze wenigen Gebäude war, das dem Sturm stand hielt und in dem die Menschen Schutz suchen konnten, drehte sich Stimmung zu Gunsten Chinas. Auf diese Stimmung setzt Premier Rabuka nun nach seiner überraschenden Wiederwahl. 

Dabei geht es ihm weniger darum, dass China politisch besser ist als die USA, sondern um etwas anderes: Zum ersten Mal in seinem politischen Leben hat Rabuka das Gefühl, nicht mehr auf Gedeih und Verderb von einer großen Macht abzuhängen, sondern mit mindestens zwei Großmächten über den besten Deal für sein Land verhandeln zu können. Zum ersten Mal, so seine Hoffnung, regiert er ein wirklich unabhängiges Land: „Wir sind nun ein gleichberechtigter Partner für andere Nationen.“ Nun ist aber auch das Ausland nicht mehr Schuld, wenn Fidschi wirtschaftlich nicht durchstartet. Und Rabuka muss jetzt liefern, denn er hat die ersten freien Wahlen nach 16 Jahren nur ganz knapp gewonnen.

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